Anna Zett: Begegnungen mit Verschwundenem und Vorhandenem

Anna Zett Dinosaur gif Videostill2

Videolounge der Stiftung IMAI – Inter Media Art Institute

3. März – 14. Mai 2023

Die Künstlerin Anna Zett (*1983 in Leipzig, arbeitet in Berlin) studierte Gender Studies, Kulturanthropologie und Philosophie an der Humboldt-Universität und Experimentalfilm bei Hito Steyerl an der Universität der Künste Berlin. Ihre Arbeiten wurden international in Kunstmuseen und auf Filmfestivals wie dem Whitney Museum in New York, dem TENT Rotterdam oder dem Forum Expanded der Berlinale gezeigt. Sie ist mehrfache Förderpreisträgerin des Berliner Senats. Seit 2020 sind ihre Arbeiten im Distributionsprogramm des IMAI.

Die Botschaften ihrer performativen Beschriftung der bröckeligen Oberfläche eines Kieshaufens werden in der Schreibbewegung instabil und verschwinden im Material. Dem gegenübergestellt ist die Übermalung spontan entstandener Gemälde auf der Berliner Mauer im November 1989 durch die Grenzpolizei.

Ihre jüngste Arbeit befasst sich mit dem Staatskommunismus der DDR und dem emotionalen Chaos, das er hinterließ. Anna Zetts poetische Filmarbeiten eröffnen neue Lesarten verdrängter Geschichte, die sich in Artefakte, Symboliken und Körper eingeschrieben hat.

Programm
Anna Zett, This Unwieldy Object, 2014, Videostill © VG Bild-Kunst, Bonn 2023 für Anna Zett

3.3. – 26.3.2023

This Unwieldy Object

2014, 47 Min., Farbe, Ton

Die Filmkamera begleitet die Künstlerin auf einer Forschungsreise durch den Westen der USA. Dort geht sie als Touristin getarnt ihrer These nach, dass die Figur des vor langer Zeit ausgestorbenen Dinosauriers sowohl ein sperriges Objekt (unwieldy object) als auch ein Produkt des imperialen Kapitalismus ist. In einer Region mit zahlreichen paläontologischen Sehenswürdigkeiten und Fundorten trifft sie auf Fossilienjäger*innen, Wissenschaftler*innen, Bergbildhauer*innen und Mythenerzähler*innen, auf Geschichten von Konkurrenz, Diebstahl, Unterdrückung und Ausbeutung der Ureinwohner*innen. Die Dinosaurierfigur wird erfolgreich als Produkt vermarktet, sei es in materieller Form, als Spielzeug etwa, oder virtuell in Hollywoodfilmen. Immer dient sie als Platzhalter für die verdrängte Geschichte der Enteignung im US-amerikanischen Westen.

28.3. – 23.4.2023

Es gibt keine Angst

2023, 31:29 Min., Farbe, Ton

In ihrer neuesten Arbeit macht sich die in Leipzig aufgewachsene Künstlerin im Berliner Archiv der DDR-Opposition auf die Suche nach Materialien zur Reparatur ihrer Gefühlswelt. Die zwischen 1987 und 1990 entstandenen Videoaufnahmen zeigen Aktivist*innen im Umfeld der Ostberliner Umwelt-Bibliothek, Künstler*innen und Schriftsteller*innen, die sich in der Friedensbewegung der DDR engagierten sowie Szenen aus dem Lebens- und Arbeitsalltag. Tiefe Einblicke in die politische Stimmung während der chaotischen Umbruchszeit kurz vor der deutschen Wiedervereinigung geben Straßeninterviews zu der Frage des Verbleibs der Stasi-Unterlagen in der gerade aufgelösten DDR. Die Komposition der poetischen und zugleich erschütternden Aufnahmen lässt eine melancholische Stimmung entstehen. Doch am Ende siegt die Liebe und ein Neuanfang wird gefeiert. Der Soundtrack ist das Ergebnis einer Recherche zur Musik der späten DDR.

Anna Zett, Es gibt keine Angst, 2023, Videostill © VG Bild-Kunst, Bonn 2023 für Anna Zett
Anna Zett, Endarchiv, 2019, Videostill © VG Bild-Kunst, Bonn 2023 für Anna Zett

25.4. – 14.5.2023

Endarchiv

2019, 18:21 Min., Farbe, Ton

Wie ein Endlager ist das Endarchiv für Anna Zett ein paradoxer Ort, an dem Erinnerungen und Bedeutungen zugleich aufbewahrt und zum Verschwinden gebracht werden. Der Ausgangspunkt für den Film ist Archivmaterial von der künstlerischen Bemalung der Ostseite der Berliner Mauer im November 1989 und der darauffolgenden Übermalung durch die Grenzpolizei. Der historischen Kunstaktion begegnet die Künstlerin Anna Zett mit einer Schreibperformance auf der bröckeligen Oberfläche eines Kieshaufens. Die gesprühten Botschaften tragen die Symbolik des Schwindenden weiter, wenn Zett sich an die Natur richtet und mit „Liebe Umwelt“ beginnt. Mit Händen und Füßen verwischt sie Teile der Botschaften und verwandelt sie auf diese Weise in neue Aussagen. Achtsam bewegt sie sich Zeile für Zeile über die Steine hinweg und hinterlässt am Ende eine bereinigte Oberfläche. „Lerne die Sprache der Macht, aber lass sie im richtigen Moment wieder los“. In Endarchiv fragt Anna Zett nach der Endlichkeit von Bedeutung und zelebriert die Möglichkeit, den Prozess des Schreibens und Loslassens selbst gestalten zu können.

Online-Screening

Auf der IMAI-Website stiftung-imai.de

3.3. – 14.5.2023

Dinosaur.gif, 2014, 22 Min., Farbe, ohne Ton

Anna Zetts wissenschaftliche und künstlerische Auseinandersetzung mit Dinosaurieranimationen im US-amerikanischen Kino mündete in dieser analytischen Zusammenstellung von Bewegtbildern aus den Filmen der Hollywoodindustrie, die von einem Essay der Künstlerin begleitet wird. Filmische Begegnungen von Menschen und Dinosauriern zeugen nicht nur von dem Streben, mit Ratio und Technologie die ‚wilde’ Natur zu bezwingen, sie offenbaren auch unsere eskapistischen Sehnsüchte und imperialistischen Projektionen. Den Spezialeffekten und aufwendigen Digitalanimationen im Filmspektakel stehen Anna Zetts niedrig aufgelöste animierte GIFs gegenüber, die in einem einfachen Texteditor erscheinen und ohne dramatische Filmmusik auskommen.

Anna Zett, Dinosaur.gif, 2014, Videostill © VG Bild-Kunst, Bonn 2023 für Anna Zett

Kuratiert von Darija Šimunović

Die Ausstellung ist Teil der Reihe IM FOKUS, in der Neuzugänge aus dem Programm des IMAI in der Videolounge präsentiert werden.

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